11. Tag: Marrakesch-Express mit Überraschungen...

 

Der Tag beginnt so wunderbar... wer möchte glauben, dass er soviele Überraschungen parat hat.

 

 

Auf der Straße der Kasbahs fahren wir Richtung Westen. Alle paar Kilometer, in jedem Ort und auch außerhalb sehen wir rechts und links der Fahrbahn etliche von diesen kleinen und größeren "Festungen" aus Lehm. Manche verlassen und verfallen, manchmal direkt daneben ganz neu gebaute Kasbahs. Eine Straße der Gegensätze.
Wir fahren am Tal der Rosen vorbei. Am Straßenrand bieten Händler alles an, was man aus Rosenblüten machen kann. Wir müssen weiter, "beim nächsten mal halten wir aber an und nehmen uns Zeit", denke ich, wie so oft auf dieser Reise. Die Tankstellendichte nimmt zu und wir finden uns in einer großen aufgeräumten Stadt wieder. Unverkennbar die "Klappe" als Kreiselkunstwerk: es ist die Filmstadt Quarzazate.

 

 

Auch hier machen wir keinen Stopp, nur kurz ein Foto, und fahren noch 20 Minuten weiter. Dann gehts rechts ab zu einer echten Touristenfalle: Aït-Ben-Haddou. Bekannt geworden ist das gut 800 Jahre alte Bergdorf als Filmkulisse, heute UNESCO Weltkulturerbe. Sehenswert, sagen viele. Uns reicht leider die Zeit nicht das uralte Lehmdorf aus der Nähe anzuschauen, so muss uns der Blick vom Aussichtspunkt genügen. Wie so oft denke ich: "Beim nächsten Mal...". Auf dem Aussichtsplateau haben sich verschiedene Händler eingerichtet, sie bieten alles Mögliche an: Keramik, Schmuck, Schlangen in Säcken, aber leider keinen Kaffee und auch keinen Tee.

 

 

Da wir bis Marrakesch noch ein paar Kilometer vor uns haben, schwingen wir uns wieder auf die Motorräder und fahren weiter Richtung Telouet. Die Touristenbusse kehren an diesem Punkt um, zurück auf die Hauptstraße. Unsere Nebenstrecke ist zwar kein echter Geheimtipp, aber, wie sich schon nach wenigen Metern hinter der historischen Filmkulisse zeigt: eine ausgezeichnete Wahl.

Im Hohen Atlas liegt Schnee, das haben wir kurz vor Quarzazate sehen können. 4167m, so hoch wollen wir heute aber nicht hinaus. Unser höchstes Zwischenziel ist der Tizi n'Tichka, 2260m.
Irgendwo zwischen Telouet und dem Pass soll der Weg ein paar Kilometer unbefestigt sein, aber gut zu fahren, wie uns der Wirt der Ecolodge am Morgen versicherte, als er uns dringend dazu riet diesen Weg und nicht die Hauptstrecke zu nehmen.
Und wirklich: das Ounila-Tal wird mit jedem Meter den wir hinein fahren märchenhafter. Ein Traum aus Oasen und alten Lehmdörfern. Außer uns scheint das im Moment kaum jemanden zu interessieren. Wir haben all diese Schönheit, die man von der Straße aus sehen kann, wieder für uns alleine.

 

 

Gerade fängt mein Magen an zu knurren und ich mache mir Sorgen, dass es in dieser Einsamkeit vielleicht nicht so leicht sein wird einen Straßengrill zu finden. Aber dann werden wir, wie so oft, mal wieder überrascht: Wie eine Fata Morgana taucht plötzlkich links am Straßenrand ein Restaurant auf. Wir sind nicht ganz sicher, ob es dort auch was zu essen gibt, denn vor der Tür steht nur ein Auto. Wir gehen hinein durch eine große leere Halle - nichts zu sehen. Es steht eine Tür zur Terasse auf, der Hunger treibt uns weiter. Und siehe da, an einem der Tische ein Pärchen, dass eine Tajine vor sich stehen hat. Wir bleiben und sind uns, nicht nur wegen der sensationellen Aussicht auf der Terasse einig: die bisher beste Tajine Poulet auf unserer Reise. Da kann man die dicken dunklen Wolken, die aus Richtung Westen aufziehen, schonmal übersehen.

 

 

Als wir weiter wollen, wartet am Ausgang schon der Wachhund - der kleine "Bringdefuß" freut sich über neue Spielkameraden und versucht uns zum Bleiben zu überreden.  Aber wir müssen wieder los. Wenn die Karte stimmt, sollte demnächst die Schotterpiste kommen. Jede Kurve, jede Kehre, warte ich darauf, dass es vorbei ist mit der tollen Straße. Aber der Weg bleibt asphaltiert und die Aussichten grandios, bis Telouet. In dem Ort soll es eine sehenswerte Kasbah geben, das Wetter und die knapp bemessene Zeit zwingen uns leider weiter.

 

 

"Schwein gehabt", doch nix mit Schotter, denke ich als wir Telouet erreichen und habe den Gedanken noch nicht zuende gedacht, da finde ich mich plötzlich in einer Baustelle wieder. Erst nur Sand, dann Schotter, dann grober Kies, knöcheltief. Herrlich, passend dazu fängt es an zu regnen. Die Wolken, die wir vorhin so mutig ignorieren wollten, haben uns erreicht. 7 Kilometer sagt mein Navi, nagut. "Geht schon", spreche ich mir selbst Mut zu. Ich ahne nicht, dass Herr TomTom die Situation schönreden will.

 

 

Es geht leicht bergauf, ein paar Kurven, aufgeweichter Lehm, dann wieder Kies. Der Regen geht in Schnee über. Jetzt noch die Regenkombi und die wasserdichten Handschuhe anziehen? Besser nicht anhalten, es wird schon gleich vorbei sein. Ist es aber nicht. Als wir endlich nach 20 km Dreckpiste die Passhöhe erreicht haben sind es 4 Grad. Aus dem Nichts taucht ein Berber auf, er zieht ein Stein-Ei aus der Tasche und öffnet es, innen glitzert es gelb. Er will Mineralien verkaufen. Also einen Tee würde ich jetzt nehmen, aber einen Stein, und sei er noch so edel, kann ich grad nicht gebrauchen.

 

 

Ein Heldenfoto und runter nach Marrakesch. Sind ja "nur noch" etwas mehr als 100 km. Das Schlimmste sollten wir hinter uns haben. Der Pass mit seinen vielen Kehren verspricht eine Menge Spaß.
Edit: Wir müssen Spaß neu definieren.

 

 

Eine Baustelle nach der anderen. Am Berg Sprengarbeiten, wir warten. Dann können wir endlich wieder ein paar Meter fahren, bevor wir wieder stehen und warten. Die Minuten werden zäh, ich ahne wie sich gleich der Regen seinen Weg ins Innere der Klamotten sucht. Sie haben wirklich lange dicht gehalten. Vielleicht hätten wir doch die Regenkombi... und die wasserdichten Handschuhe...? Aber hättitätti bringt jetzt nichts mehr. Die Ahnung wird Gewissheit: das Wasser läuft schön langsam in den Nacken, kriecht in die Ärmel und schafft es bis in die Stiefel.

 

 

Die Straße ein Farbenspektakel, erst verschiedene Grautöne, dann irgendwann blutrot vom Lehmmatsch, mein Visier auch. Ich wünsche mir mehr Regen, damit ich wieder was sehen kann. In der Straße ein riesiges Loch. Ein LKW steht bis zum Bauchnabel drin, es geht nicht vor und nicht zurück. Mitten im Feierabendverkehr. Also umdrehen und einen Umweg nehmen. Stunden später, durchgefroren und durchgeweicht erreichen wir in der Dämmerung Marrakesch.

 

 

Jetzt bloß nicht nach Navi fahren! Und - Zack stehen wir mitten in der Medina. Die Gassen werden in alle Richtungen immer schmaler, dass es keinen Sinn macht weiter zu suchen. Sofort haben wir eine Traube junger Männer um uns, die natürlich alle den Weg zu unserer Unterkunft kennen. Als der Muezzin ruft sind sie verschwunden. Da, hinter der Stadtmauer muss es sein, nur wenige Meter trennen uns vom Hotel. Wir irren noch ein bisschen umher und finden dann irgendwann doch noch unser Ziel, eine heiße Dusche und sogar einen Hopfentee.

 

 

 

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