Bummelsonntag

 

Vielleicht schaffen wir es heute bis zum Staller Sattel, vielleicht auch nicht. Je nachdem wem wir so begegnen. 
Regen... ganz ohne gehts in Thal wohl nicht. Das erste was ich am Morgen sehe... neben den verbliebenen Mopeds. Aber nix zum aufREGEN, denn offenbar hat der Himmel in der Nacht sein ganzes Pulver verschossen. Als wir noch leicht verkatert zum Frühstück schlappen fallen nur noch wenige nasse Nachzügler auf die Motorräder im Hof. Alle paar Minuten schnarrt und klackert ein Kickstarter, manchmal brauchts nur einen Versuch, manchmal zwei oder drei, bis die Motoren der älteren Diven losrumpeln, knattern und bollern. Dann sind auch die restlichen Schlafmützen wach. Ach herrlich, allein dafür hat es sich gelohnt so früh aufzustehen. Huch, ist ja schon 9 Uhr. Die ersten machen sich auf den Heimweg. Auch die größte Nachwuchshoffnung bei diesem Treffen hat schon ihr Pferd gesattelt: Marie. Sie posiert nochmal extra für uns und dann düst sie los, zusammen mit ihrem Papa und einem Kumpel. Schließlich ist sie nicht nur die Dame mit der weitesten Anreise, sondern auch die mit der weitesten Heimreise. Ich bin mir sicher das Mädel sehen wir bald wieder, auf irgendeiner DUCATI, ihr Papa muss wohl noch Schnickschnackschnucken ob erst den Scrambler oder gleich die Multistrada. Immerhin die Farbe der Honda geht ja schonmal in die richtige Richtung - für den Anfang soweit ok ;-) Soviel und so begeistert wie Marie fährt, sollte der Dad  nicht zu lange überlegen, sonst schnappt sie sich irgendwann einfach seine Multistrada. 
 
Weils so schön ist verplaudern wir uns nochmal mit den Jungs und Mädels vom DUCATI Club München, die das Treffen wie jedes Jahr topp und mit viel Herzblut organisiert haben. Wir freuen uns schon aufs nächste Jahr! Dann verabschieden wir uns auch von Christa und Axel. Ab jetzt ziehen wir alleine weiter. Immerhin kurz nach 11 Uhr drücke ich das Startknöpfchen und dann gehts los. Allzu viel haben wir uns nicht vorgenommen: ein kleiner Besuch im österreichischen Kurvenparadies. 
Noch leicht beseelt von den Eindrücken und Begegnungen in Thal lassen wir uns entspannt auf kleinen Straßen durch Oberbayern treiben und überqueren irgendwann die Grenze nach Österreich. Das ist gut so, denn mir wollen einfach partout keine Oktoberfestlieder in den Kopf kommen. Kaum über die Grenze merken wir plötzlich: oh ist ja Sonntag. Volksfeststimmung in Walchsee: die einen sportlich laufend um den See die anderen feiernd und die Straßen zuparkend. Ab da gehts dann aber wieder. Die Nachsaison hat nur Vorteile. Radler und Wanderer sind um die Mittagszeit längst auf irgendwelchen Hütten und so haben wir fast freie Fahrt, grüßen ein paar entgegenkommende Motorradgruppen mit Geh-Essen (ihr wisst schon: Bäh-ähM-Wäh, oder auch wie die Österreicher sagen: Tuttelbären) manche grüßen sogar zurück. Wir sehen nur wenige die mit uns in Richtung Süden unterwegs sind. Vorbei am Fellhorn Richtung Zell am See und dann endlich rechts ab zum Highlight des Tages. Schon ein paarmal hatten wir uns den Großglockner vorgenommen aber nie hat das Wetter gepasst. Heute also - tatatataaaa - soll es endlich wahr werden. Ich bin schon voll aufgeregt ob es denn so voll sein wird, wie immer alle warnen. 

Krass, nur ein Schalter geöffnet, ich frage mich wie sie den Ansturm auf diesen wohl höchsten Freizeitpark Österreichs bewältigen wollen, an so einem Traumsonntag. Wir warten noch eine Pipipause lang, aber niemand sonst will mit uns da hoch. 26 Euro Eintritt fürs Motorrad, naja ich finde kann man mal  machen. Für einen Vergnügungspark mit Rennstrecke geht es eigentlich. Freies Fahren auf dem Anneau de Rhin ist zwar teurer aber dort gelten auch nicht die österreichischen Geschwindigkeitsregeln. Und am Großglockner gibts ein paar nette Schmankerl. Wers schafft, kann den ganzen Tag hoch und runter und hin und her. 

Dafür reicht unsere Zeit heute nicht. Da ich das erste mal hier bin möchte ich mir gerne in Ruhe alles ansehen. Inklusive Sonderprüfung - wobei die Auffahrt zum höchsten legal befahrbaren Punkt auf der Großglockner Hochalpenstraße nicht wegen ihrer engen Steilkurven oder dem Kopfsteinpflaster so spannend ist, sondern eher wegen ein paar Autos, die sich offenbar in einer hilflosen Lage befinden. Es läuft alles in Zeitlupe ab, ich erkenne ein Hamburger und ein russisches Kennzeichen. Hinterm Steuer teilweise Asiaten mit erstaunlich weit geöffneten Augen und leichter Panik im Gesicht. Nein, natürlich, die schmale Strecke kann niemals für das Auto reichen und für ein Motorrad schon zweimal nicht. Irgendwie kommen wir trotzdem aneinander vorbei, zum Glück ist echt wenig los. Aber ich muss zugeben: vor ein paar Jahren hätte ich mit dem Motorrad selbst bei Minustemperaturen schon auch noch Schweißperlen auf der Stirn und einen Angstbollen in der Buxe gehabt. Oben angekommen an der Edelweißspitze sehen wir im Turm der Legenden, dass das heute alles Pipifax ist.

 

Irene&Alex und der rollende Musikantenstadl

 

2572 Meter hoch, kann man einmal rundum laufen und hat einen tollen Blick von der Edelweißspitze: auf die Gletscher und runter bis nach Zell am See. Als wir zurück zum Parkplatz kommen schleichen zwei verdächtige Gestalten um unsere Motorräder, prüfen ob der Lenker auch passt und sind kurz vor der Sitzprobe. Okay, dann nehme ich halt die Einbauküche, in der die beiden sonst wohnen. Irene erzählt uns mit einem unverkennbaren Leuchten in den Augen, dass die Multistrada eigentlich auch ihr Traum ist. Probegefahren ist sie schon, aber sie muss weiter ihre Honda Hornet lieben (ich weiss nicht ob das mit dem Haussegen zu tun hat). Jedenfalls, wenn sie keine Lust hat auf der Rennsemmel zu buckeln, dann lässt sie sich von ihrem Mann durch die Berge schaukeln, lacht sie und steigt zu Alex auf den rollenden Musikantenstadl (schon wieder ne rote Honda) und die beiden tanzen mit der Schrankwand erstaunlich leichtfüßig wieder hinab. Es hat uns sehr gefreut! Und wer weiss, vielleicht verkaufe ich meine Pikes ja irgendwann mal ;-)

     


Wir fahren noch auf der anderen Seite hoch nach Kaiser Franz und seiner Sissi schauen und in der Hoffnung auch den Gletscher aus der Nähe sehen zu können. Der Großglockner selbst macht sich ein bisschen wichtig und versteckt seine Spitze in den Wolken. So kann ich nicht glauben dass er wirklich 3798 Meter hoch ist. Wir machen eine Futterpause, vielleicht zeigt er sich ja doch noch. 

Wieder wundern wir uns, dass wir fast alleine hier oben sind. Das riesige futuristische Parkhaus zeigt das wahre Gesicht der Kaiser Franz Höhe und wir ahnen wie es hier in der Hochsaison zugehen muss. Aber heute ist es leer. Auf dem Motorradparkplatz stehen einige wenige Mopeds.

Eric der Wikinger und das kleine Glöckchen auf dem Großglockner

Nur unsere beiden Italienerinnen und eine Britin. Die gehört einem jungen Schweden. Eric, er erzählt uns dass er 3000 Kilometer bis hierher gefahren ist. In nur 5 Tagen. Und dass seine Mam Harley fährt. Halb deutsch halb englisch verplaudern wir uns. Sein deutsch ist wesentlich besser als unser schwedisch, das nicht mehr als „Skål“ hergibt. Eric erklärt uns, dass er hier das Highlight und den Umkehrpunkt seiner Reise erreicht hat: der Großglockner. Was mag also wohl das kleine Glöckchen an seiner Triumph bedeuten? Morgen gehts für ihn zurück nach Schweden. Aber mit etwas mehr Zeit als 5 Tagen. Wir wünschen uns gegenseitig gute Fahrt und ich denke nur: 3000 km in 5 Tagen... Respekt Alter Schwede!

Wer hat an der Uhr gedreht?

 
Inzwischen ist noch weniger von der Großglocknerspitze zu sehen und da es schon fast 17 Uhr ist beschließen wir dass warten jetzt keinen Sinn mehr macht wenn wir nicht im dunkeln am Staller Sattel rum eiern wollen. Also düsen wir runter nach Heiligenblut, biegen ab nach Lienz, langweilen uns ein paar Kilometer auf der Bundesstraße bis wir nach links ins Defereggental abbiegen und wieder alleine sind. Die letzte Tankstelle vor der Grenze nehmen wir. Ab jetzt wirds teuer, Italien wir kommen. Am Großglockner haben wir noch überlegt wo wir übernachten wollen auf der österreichischen oder italienischen Seite. Wir haben das Wetter entscheiden lassen: morgen früh soll es auf der österreichischen Seite regnen und in Italien die Sonne scheinen. Also stellen wir uns oben am Sattel in die Schlange und warten auf das Startzeichen. Das System lässt sich nicht austricksen. Da wir grad das grüne Pizzastück für die freie Fahrt verpasst haben bleibt Zeit für Fotos. Es hat auch Vorteile, wenn man spät dran ist.
 

7 km später rollen wir 7 nach Sieben auf den Hof des Sporthotels. Die Motorräder dürfen in der Garage übernachten. Das Haus hat echten 70er Jahre Charme und sogar einen kleinen Wellnessbereich. Ich nehme die Infrarotkabine in Beschlag und lasse mich eine halbe Stunde durchwärmen bevor wir essen gehen. Das Entrecote ist hervorragend. Wir schlafen wie die Murmeltiere.


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Kommentare: 1
  • #1

    Iris (Dienstag, 25 September 2018 11:32)

    "Hinterm Steuer teilweise Asiaten mit erstaunlich weit geöffneten Augen..." XD
    You made my day!!

    Grüßle Iris