10. Tag: Täler und Schluchten - Todra und Dades

 

Heute ist der Tag für die Touristenattraktionen. Wir planen die große Schluchtentour: erst Todrha, dann Dadès... so hat es uns der Öko-Landwirt von unserer Unterkunft empfohlen: Todrha KANN man machen, Dadès ist ein MUSS - aber am besten am Spätnachmittag, dann ist dort am wenigsten los.

 

 

Voller Vorfreude springe ich unter die Dusche und bin gleich noch wacher. Moment, kalt abduschen ja, aber doch bitte erst am Schluss. Das Wasser ist eiskalt und bleibt es, egal in welche Richtung ich die Knöpfe drehe. Aber nun sind die Haare schon nass, ok, dann ziehen wir das jetzt durch, sowas kann einen Ostseefisch nicht schrecken. Ich habe einen Föhn gesehen und freue mich schon auf den warmen Wind. Und was für ein Föhn: ein robustes Original aus den 1970er, höchstens 80er Jahren. Funktioniert hervorragend das gute Stück, ich bin begeistert und taue schnell wieder auf. Beim Frühstück spreche ich vorsichtig die Wassertemperatur an, der Wirt will es nicht glauben und muss sich selbst davon überzeugen. Erst gestern Abend hätte er doch 300 Liter Wasser mit dem Holzofen angeheizt. Der große Kunststofftank auf dem Dach des Lehmhauses ist der Wasserspeicher. Sollte reichen, könnte man annehmen. Den anderen Gästen, eine offenbar sehr reinliche 3-köpfige französische Familie, hat das ja offenbar auch gerade so gereicht. So ist das halt, wer zu spät duscht... Sofort will der Gastgeber neu anheizen und sagt, dass es nur eine halbe Stunde dauern würde, aber wir wollen los und sauber bin ich ja nun.

 

Wir freuen uns darauf einen Tag ohne Gepäck zu fahren und düsen den gleichen Weg zurück, den wir gestern gekommen sind. Ha, die Gendarmen, die gerade ihr neuestes Blitzgerät ausprobieren, waren gestern aber noch nicht da. Bernd ist zu schnell - eindeutig, zeigt sich aber schuldbewusst und die Uniformierten lassen Gnade walten. 

In Tinghir biegen wir ab in die Todra-Schlucht. Mit jedem Meter wird es touristischer. Obwohl wir relativ früh dran sind, die Reisebusse sind schon da. Und natürlich auch die Berber mit den bunten Tüchern. Ich lasse mich hinreißen und wir feilschen fröhlich drauflos. Am Ende habe ich 1 Tuch und der Berber umgerechnet 10 Euro. Gerade noch rechtzeitig bevor der nächste Bus mit Asiaten die Straße hochgeschnauft kommt.

 

 

Nach einer Weile erreichen wir das spektakulärste Stück der Schlucht: Am Fluss zwischen Meterhohen Felswänden geht es nur im Schritttempo weiter. Wir schlängeln uns durch die Mischung aus Markt und Sehenswürdigkeit. Und dann ist es auch schon wieder vorbei mit dem bunten Treiben.

 

 

Wir fahren noch ein paar Kilometer weiter rein. Die Straße ist schmal aber gut asphaltiert und windet sich in den Hohen Atlas. Irgendwo noch weiter hinten gibt es einen Abzweig. Von dort führt eine Offroadpiste durch das Gebirge gen Westen in Richtung Dadès-Tal. Eine Strecke, die gerne von Allradfreunden und Enduristen ausprobiert wird. Es ist wohl schwierig den Einstieg zu finden. Wir suchen gar nicht erst danach, für unsere Reisedampfer, und vor allem für mich, wäre die Herausforderung zu groß.

 

 

Später, als wir längst wieder zuhause sind und unsere Erlebnisse austauschen werden wir von Gerhard aus Rainers Truppe erfahren, dass das Abenteuer für ein paar Mutige der organisierten Gruppenreise missglückt ist. Tiefe Schlammlöcher und Geröll haben den Weg für die Straßenmotorräder unmöglich gemacht. Eine schmerzhafte Erfahrung und Souveniers auf die man gerne verzichten möchte: eine kaputte Schulter und ein kaputtes Moped.
 
Wir wissen davon zu diesem Zeitpunkt zwar noch nichts, aber wir beschließen trotzdem umzukehren und fahren wieder über Tinghir zurück.

 

 

Kamelhirten an der Straße halten die Hände auf, als ich kurz stoppe - ein Lächeln für ein paar Dirham. Sie würden für ein paar mehr Dirham noch mehr Zähne zeigen, signalisiert mir die Mutter des Jungen.

 

In Boumalne bei einem kurzen Mittagsstopp plaudern wir mit zwei Rheinländern, die mit leichten Sportenduros unterwegs sind. Sie sehen ziemlich abgekämpft und nach Heimweh aus. Wir sind froh, dass wir nicht die Offroadstrecke genommen haben. Schöner Nebeneffekt: wir sehen Todra und Dadès zweimal, einmal beim rein- und einmal beim rausfahren. Und dann auch noch in der richtigen Reihenfolge: die Todra ist sehenswert, wenn man sich nicht nur die touristischen Meter zwischen den hohen Felswänden anschaut und noch ein gutes Stück weiter fährt. Die Dadès-Schlucht macht vor allem Spaß und, auch wenn die Serpentinen als Postkarten-, instagram- undwasweißichnochalles-Motiv schon millionenfach fotografiert wurden, uns beeindruckt sie. Erfolgreich haben wir die Zeit verbummelt: je später der Tag, desto seltener sind die schönen Gäste. Von unseren hundert Selfieversuchen gibts hier nur zwei.

 

 

Alle paar Meter halten wir an, hunderttausend Fotos möchte ich machen. Die "Affenfinger" auf der Rückfahrt im schönsten Licht. Und natürlich kommen auch wir nicht drumrum das ultimative unumgängliche Dadèswirwarendaasiehstdesbild zu knipsen.
Wir fahren noch weit rein in das Tal, bis der Asphalt aus ist und die Schotterpiste beginnt. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit spuckt uns die Schlucht wieder aus. Wow - was für ein Tag! Morgen wollen wir über den Hohen Atlas nach Marrakesch...

 

 

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Jörg Brillen (Freitag, 26 März 2021 19:56)

    Bin ganz zufällig hier gelandet. Respekt. In den paar Tagen habt Ihr wirklich alles richtig gemacht. Vielleicht ein bisschen viel Stress. Aber mehr Ruhe passt eben nicht in einen Urlaub. War schön, das alles mit anderen Augen wieder zu sehen. Viele Grüße j.